Ein sehr interessantes Phänomen unserer heutigen Zeit ist, scheint zu sein, dass man zu alles eine Meinung haben muss, man also nicht meinungslos sein darf.
Egal um welche Themen es geht, sei es Corona, Krieg, Sport, Politik oder das Verhalten irgendwelcher Prominenter. Zu vielen Dingen haben Menschen eine Meinung und zu allem soll man eine Meinung haben und diese wenn möglich auch noch äußern.
Doch nicht nur das: Einige Menschen scheinen es dann auch noch elementar zu finden, dass die eigene Meinung gewichtiger ist als die Einschätzung jener, die sich bspw. hauptberuflich mit der jeweiligen Thematik beschäftigen.
Aber warum wird eigentlich derzeit gesellschaftlich verlangt, dass man zu allem eine Meinung hat?
Handelt es sich dabei wirklich um eine Meinung oder ist es vielleicht doch etwas anderes?
Ist es vielleicht auch möglich zu Dingen der heutigen Zeit keine Meinung zu haben, also meinungslos zu sein?
Inhaltsverzeichnis
- Meinung, Pseudomeinung und Meinungslosigkeit
- Sozialer Druck
- Pflicht zur Meinung
- Freiheit der Meinungslosigkeit
- Weisheit der Philosophie
Meinung, Pseudomeinung und Meinungslosigkeit
Zu den oben angesprochenen Themen konnte man in den letzten Jahren immer mehr erleben, wie die Menschen zu „Profis“ verschiedenster Fächer wurden. Was in den 80er und 90er Jahren des 20. Jahrhunderts noch Trainerprofis vor den Fernsehern waren, sind heute Virologen, Trainer, Politiker und wer weiß was noch alles.
Ihre eigene Meinung scheint gewichtiger und gesellschaftlich elementarer zu sein als die Äußerungen derjenigen, die sich hauptberuflich mit den jeweiligen Themen auseinandergesetzt oder sie sogar studiert haben.
Interessant ist hierbei, dass die Meinung, die als solche verkauft wird, oftmals überhaupt keine eigene Meinung ist. Also es ist eben schon eine Meinung oder Überzeugung, aber eben nicht unbedingt die eigene.
Vielmehr bekommen wir im Alltag gar nicht mit, wie sich bei uns eine Meinung zu etwas bildet, zumal wir meistens gar nicht die Zeit haben uns ein vollständiges Bild komplexer Themen zu machen.
Hierbei kann es aus verschiedenen Gründen dazu kommen, dass wir Meinungen einfach übernehmen und sie als unsere eigene verkaufen.
Sozialer Druck
Beispiele für eine solche Meinungsübernahme sind sozialer Druck, fehlende Informationen und eine gewisse Faulheit. Wahrscheinlich wird es hierbei noch mehr Möglichkeiten geben, aber diese sollen nur verdeutlichen, wodurch eine Pseudomeinung, also eine Meinung, die nicht die eigene ist, entstehen kann.
Durch sozialen Druck wie Familie, Freunde oder andere wichtige Bezugspersonen kann deren Ansicht übernommen werden. Die Gründe dafür können völlig unterschiedlich sein.
Der Student, der es sich mit seinem Dozenten nicht verscherzen will.
Das Kind, dass die Meinung der Eltern übernimmt (kopiert).
Angst um den Verlust von „Freundschaften“ oder seinen Status innerhalb einer Gruppe usw.
Das sind nur einige Beispiele, aber den sozialen Druck werden sicherlich einige immer wieder spüren und dadurch auch die Meinung anderer übernehmen. Selbstverständlich kann es aber auch so sein, dass die Meinung übernommen wird, weil sie zum eigenen Weltbild passt.
Viel wichtiger finde ich jedoch die Punkte einer übernommenen Meinung in Bezug auf fehlende Information und Faulheit.
Wir befinden uns im Zeitalter des Informationsüberflusses, was bedeutet, dass wir die Menge an Informationen nicht mehr wirklich verarbeiten können und gleichzeitig unsere Aufmerksamkeitsspanne und unsere Geduld, dank der sozialen Medien, immer weiter sinkt.
Dadurch haben wir einerseits das Problem, dass wir nicht wissen welche Informationen sind überhaupt richtig, sondern müssen hierbei ein gewisses Vertrauen in die jeweilige Quelle setzen und andererseits ist es so, dass wir uns eben mit vielen Themen nicht hauptberuflich auseinandersetzen und somit nur einen begrenzten Fundus an Informationen zur Verfügung haben.
Hierbei spielt dann die Faulheit auch eine Rolle, denn was soll man sich denn mit 20 Quellen beschäftigen, um ein vollständiges Bild zu erhalten, wenn auch 2 Quellen reichen, die aber wiederum die gleiche Quelle nutzen, ohne, dass man es weiß.
Hierbei wird die Illusion geschaffen, man würde verschiedene Medien benutzen, obwohl der Ursprung bei ein und demselben Informationsgeber liegt.
Diese Illusion gaukelt uns dann vor, wir hätten uns eine Meinung zu etwas gebildet, obgleich das nicht wirklich der Fall ist. Wir haben hierbei einfach nur begrenzte Informationen und übernehmen diese.
Pflicht zur Meinung
Was sich mir bis heute nicht erklärt ist, warum es größtenteils in unserer Gesellschaft dazu gekommen ist, dass man zu allem eine Meinung haben muss.
Zwar ist offensichtlich, dass ein Teil der Gesellschaft sich unentwegt empören will (warum auch immer), aber das wird sicher nicht der Hauptgrund sein.
Vielleicht liegt es ja daran, dass es ein Ausdruck von der Teilnahme an gesellschaftlichen Themen sein soll.
Vielleicht soll es der eigenen Person auch eine gewisse Wichtigkeit verleihen.
Oder möglicherweise soll damit aufgezeigt werden, dass man einen hohen Grad an Intellekt besitzt, weil man zu allem eine Meinung hat, da man sich thematisch überall auskennt.
Aber das ist leider ein Trugschluss, denn nur weil ich eine „Meinung“ zu vielen Themen habe, heißt das noch lange nicht, dass ich mit all diesen Dingen auskenne.
Eventuell verlangen einige Menschen unbewusst deswegen auch danach, dass andere zu allem eine Meinung haben müssen, weil sie selbst eben zu allem eine Meinung haben.
Freiheit der Meinungslosigkeit
Das Großartige an einer Meinung ist, dass man sie eben haben kann oder eben nicht. Dieser Freiheit der Meinungslosigkeit sollten wir uns immer bewusst sein, denn egal ob jemand eine Meinung oder Überzeugung zu etwas hat, man selbst kann sich aus jeglichen Diskussionen herausnehmen.
Muss ich eine Meinung zu sportlichen Entscheidungen oder Veranstaltungen haben?
Muss ich eine Meinung haben, wer in einem Krieg der Gute oder der Böse ist?
Muss ich eine Meinung dazu haben (und mich natürlich schwer empören), ob Politikerinnen und Politiker für ihr Amt überhaupt geeignet sind?
Nein.
Wir sollten uns viel öfter die Freiheit der Meinungslosigkeit nehmen und das aus verschiedenen Gründen.
Es erleichtert einem den Alltag sehr, denn man trägt keinen potenziell unnötigen Ballast mit sich herum, der eh nichts ändert.
Man nimmt Menschen, die auf eine hitzige Diskussion aus sind, umgehend den Wind aus den Segeln, weil sie gar nicht fassen können, dass man zu Thema X keine Meinung hat.
Wenn man einem Thema gegenüber meinungslos ist, muss man sich natürlich auch nicht äußern. Was bedeutet, dass auch nur der geringste Versuch von solchen Menschen einen in eine solche Diskussion zu verwickeln im Keim erstickt wird.
Natürlich muss sich dennoch empört werden, dann selbstverständlich über die Person, die keine Meinung zum Thema hat. Hier sollte man aber das passende Selbstbewusstsein mitbringen, denn gerade ein solcher sozialer Druck, kann für viele Menschen etwas sehr Schwieriges in so einer Situation sein.
Weisheit der Philosophie
Doch in der Philosophie geht es um die Liebe zur Weisheit, was eben auch bedeutet, dass man sich bewusst werden sollte, wann man etwas nicht weiß.
Unwissen ist keine Schande, auch wenn uns das gesellschaftlich immer wieder gerne suggeriert wird. So wie uns auch eingeredet wird, dass man keine Fehler machen darf, weil andere sehen könnten, dass man einen Fehler gemacht hat. Man möglicherweise „unvollkommen“ ist.
Ich denke, Soziologen und Psychologen hätten an dieser Thematik sicherlich ihre helle Freude.
Aber als Mensch in einer Zeit der Informationssintflut, sollte man das Recht haben sich aus Dingen herauszunehmen, eben keine Meinung zu haben und sich nicht ständig mit unnötigem Ballast zu beschäftigen. Das soll nicht heißen, dass bestimmte Themen unwichtig sind, sondern vielmehr, dass man die Möglichkeit wahrnimmt zu etwas keine Meinung zu haben.
Und nicht zu vergessen: Zur Weisheit gehört eben auch Dinge nicht zu wissen und sich dieses Unwissen auch eingestehen zu können.
Mut zur Meinungslosigkeit!
2 Antworten
Mit der Meinung ist es immer so eine Sache. Möglicherweise sind wir Menschen auch einfach nur Papageien und plappern alles nach, ein Beispiel: „Ich weiß, dass ich NICHTS weiß“ -> so wird es meist nachgeplappert. NICHTS macht allerdings – genau betrachtet – keinen Sinn:
„Ich frage mich nun, ob ich ein Papagei bin, der einfach alles nachplappert. Wenn Sokrates allerdings weiß, dass er…..“ – so ergibt die Interpretation / Übersetzung „NICHTS“ eher keinen Sinn. Wahrscheinlich müsste es demnach korrekt so heißen: „Ich weiß, dass ich NICHT weiß,….“ – Beispiel: „Ich weiß, dass ich nicht weiß, ob Kaffee in der Realität schwarz ist.“ In einer anderen Realität (oder Dimension oder wo auch immer) könnte Kaffee auch orange sein. Orange ergibt übrigens den Zahlenwert 6 / 33 und taucht im Film Welt am Draht besonders häufig auf. Ich weiß natürlich nicht, ob dies von Bedeutung ist – allerdings wäre es möglich. Was mich betrifft: Ich weiß, dass ich nicht weiß, wie der Mechanismus dieser Welt WIRKLICH funktioniert.“
Fazit: Vielleicht ist es sinnvoll, in den meisten Fällen auf eine eigene Meinung zu verzichten ->
Wenn ich mich recht entsinne, sprach einer meiner Dozenten mal davon, dass es auch eigentlich „Ich weiß, dass ich nicht weiß“ heißt, es aber immer anders verbreitet wird.
Eine eigene Meinung haben ist ja per se nichts schlechtes, nur sollten wir uns die Freiheit nehmen dürfen, eben auch keine Meinung zu haben.
Wenn ich mir nicht oder nur bedingt ein Bild von etwas machen kann, ist es eben nicht möglich, sich eine Meinung zu bilden, sondern in dem Fall spricht man dann nur etwas nach, was einem vielleicht am gelegensten kommt.
Bezieht man diese Meinung jedoch auf die ganze Realität die uns umgibt, wird es natürlich schwieriger, wenn nicht gar unmöglich, eine Meinung zu haben.
Aber in dem obigen Fall geht es vielmehr um politische oder gesellschaftliche Dinge, also Sachen die uns umgeben und mit denen wir im Alltag umgehen müssen.
Und die Freiheit keine Meinung zu etwas Alltäglichem zu haben ist schon sehr angenehm, weil man sich dadurch auch seelisch von Ballast befreit.