Das Philosophieren mit Kindern ist erstmals in Mecklenburg-Vorpommern in der Grundschule als vollständiger Unterricht aufgenommen worden.
In vielen anderen Bundesländern wird Philosophie meist im Rahmen des Ethikunterrichts (früher Werte und Normen) als Gegenpart des Religionsunterrichts gelehrt. An einigen Gymnasien gibt es den Philosophieunterricht schon als vollständiges Fach.
Diese Unterrichtsformen unterscheiden sich natürlich voneinander, da die Schwerpunkte bei Kindern völlig andere sind, als bei Jugendlichen. Was auch völlig logisch ist, denn schließlich ist der Erfahrungswert und das Erfassungsvermögen unterscheiden sich hierbei einfach.
Gerade Eltern ist dieses Fach anfänglich meist suspekt, denn schließlich ist es Philosophie und das Kind soll ja schließlich etwas handfestes in der Schule lernen, womit es später im Leben auch weiterkommt.
Vermutlich liegt das an der jahrelangen “Verkopfung” und des Lebens im Elfenbeinturm der Philosophie. Dadurch hat sich die Philosophie für viele Menschen einen Status geschaffen, den man als “Sonderling” bezeichnen könnte.
Nur Tagträumer und Faulenzer philosophieren eigentlich und so wirklich kann man damit ja auch nichts verdienen, eine brotlose Kunst ohne Mehrwert für Lebenskünstler.
So oder so ähnlich kann man es sich vielleicht vorstellen – wenn auch etwas überspitzt.
Doch schauen wir uns mal genauer an was es heißt für ein Kind zu philosophieren und wie Eltern oder auch Erzieher gemeinsam mit Kindern philosophieren können.
Kinder erfahren die Welt völlig neu und lernen jeden Tag dazu. Ihr Gehirn arbeitet dabei unermüdlich und verarbeitet auch die Erlebnisse und Erfahrungen des Alltags. Dabei kommt es zu vielen Fragen, damit die Welt verstanden werden kann.
Würden wir uns als Kind diese Fragen nicht stellen oder Dinge nicht ausprobieren, damit wir sie verstehen, dann hätten wir ziemlich schnell ein Problem uns in der Welt zurecht zu finden.
Schon in der Vorschul- oder Kindergartenzeit lernen wir Stück für Stück uns zu verständigen und entwickeln auf Grundlage der eigenen Leistungsfähigkeit auch unsere Individualität.
Ab der Grundschule wird das noch weiter gefördert, da von diesem Zeitpunkt an dann auch noch vermehrt das Erlernen von Wissen in den Vordergrund rückt. Nicht zu vergessen ist hierbei auch das Elternhaus wichtig, was weitere Werte vermittelt oder verfestigt und (zumindest in der optimistischen Theorie) mit der Grundschule zusammenarbeitet.
Selbstverständlich ist das Philosophieren mit Kindern etwas freier gestaltet, da es in diesem Fall nicht um explizites Wissen geht, also nicht das Abfragen von Fakten im Vordergrund steht, sondern im Fokus liegt das Weiterfragen. Dieses Weiterfragen liegt in der philosophischen Tradition begründet und erinnert etwas an Sokrates, der in der Antike seine Mitmenschen auf dem Marktplatz mit Fragen löcherte.
Aber genau dieses Fragen hilft bei der Orientierung in der Welt, beim Verstehen der Welt und der Dinge in ihr.
Natürlich kommt es dabei auch immer auf die Frageinteressen und intellektuellen Möglichkeiten des Kindes an – nicht zu vergessen die emotionalen Bedürfnisse.
Zu diesem Zeitpunkt geht es nicht primär um das Suchen nach der Wahrheit oder den Gedanken, dass man Weisheit erlangen möchte, sondern es geht vielmehr um die Selbstreflexion und das Entwickeln eines Verständnisses für die Welt. Deswegen geht es dabei auch nicht darum schnelle Antworten zu finden und das Problem zu lösen, sondern die Gespräche können völlig ergebnisoffen bleiben.
Kinder werden an das Nachdenken ganz anders herangeführt und merken, dass es Spaß machen kann Fragen zu stellen und sie weiterzudenken.
Das fördert bspw. auch die Kreativität und die Fähigkeit über den Tellerrand hinauszuschauen, was sich insbesondere im späteren Lebensweg als positiv erweisen kann.
Gleichzeitig kann diese Art des Denkens auch auf andere Fächer angewendet werden und zu einem besseren Verständnis verhelfen.
Bei der Unterrichtsform sind die Methoden relativ frei und breit gefächert gewählt. Im Endeffekt kann man alle Medien wählen von denen man denkt, dass sie sinnvoll sein können.
Hierbei wird jedoch mit einem Auge darauf geschaut, dass zu einem späteren Zeitpunkt, auf die für das Fach Philosophie typische Methode des Texterschließens, hingearbeitet wird.
Jedoch sind kompliziertere philosophische Texte zu diesem Zeitpunkt für die Kinder kaum bis gar nicht verständlich und somit werden unterschiedliche Medien zum Lernen genutzt.
Gleichzeitig können Medien aber auch zum direkten Unterrichtsgegenstand werden, also zum Teil der Diskussion.
Zudem soll es um lebensnahe Themen der Schülerinnen und Schüler gehen, die ihren Alltag direkt berühren. Zum Beispiel Themen wie Freundschaft, Konflikte, Beziehungen zu Erwachsenen, Ängste, Sexualität, Liebe, Harmonie, Aggression, Ökologie, Religion, Zeit und Orientierung in der Konsumwelt.
Solche Themen können dann frei in der Gruppe diskutiert oder aber auch mal in kleineren Gruppen besprochen werden, um ihre Gedanken dann den anderen Schülerinnen und Schülern zu präsentieren.
Dazu ist eine gute Art der Kommunikation nötig. Potentiell sogar das Eingehen von Kompromissen, was die geistige Flexibilität verbessert.
Die Methoden können dabei in zwei Hauptgruppen aufgeteilt werden: diskursive und präsentative Formen.
Bei den diskursiven Methoden kommen unterschiedliche Arten der Gesprächsführung, das Gegenüberstellen und Analysieren von Begriffen, aber auch das Erstellen und Wiedergeben von Texten, vor.
Auf der anderen Seite steht die präsentative Form, also die Art wo es vermehrt um die Darstellung durch bspw. das Erstellen von Bildern und deren Wiedergabe, Gedankenreisen oder theatrales Philosophieren.
Hierbei kommt es wieder auf die Deutung durch die Sprache an.
Im Fokus steht dabei jedoch immer das Gespräch miteinander.
Einige Gesprächsformen sind hierbei das unterhaltende Gespräch, informierende Gespräch, reflexive Gespräch, sokratische Gespräch oder auch das bekannte Streitgespräch.
Diese Gesprächsarten sind dann verknüpft mit dem begrifflichen Arbeiten, mit Gedankenexperimenten, dem Gestalten und Deuten von Bildern, Rollenspielen, Befragungen und Interviews oder auch die eigene Recherche.
Es ist also klar zu erkennen, dass es sich dabei um eine Kombination aus vielen Aspekten der Philosophie und dem Erleben des Alltags handelt. Jedoch kann man nicht sagen es gibt Methode 1 und Methode 2 nach diesen Mustern verfahren wir strikt und weichen nicht davon ab.
So funktioniert Philosophie auch nicht, was wahrscheinlich auch ein Grund dafür ist, dass Eltern oftmals mit dieser Art des Unterrichts nichts anfangen können oder weniger ernst nehmen.
Doch muss man hier einfach unterscheiden zwischen dem gängigen Unterricht und dem Philosophieunterricht.
Natürlich gibt es neben den eher freien Methoden auch gewisse Werkzeuge, die diese Methoden unterstützen.
Hierbei werden zur Strukturierung die vier Fragen Immanuel Kants als Hilfe benutzt. Das geschieht unter anderem, weil diese Fragen lebensnah sind, aber auch vorbeugen, dass die Schülerinnen und Schüler nur auf einem gedanklich und inhaltlich engen Raum bewegen.
“Was kann ich wissen?”
“Was soll ich tun?”
“Was darf ich hoffen?”
“Was ist der Mensch?”
Thematisch bewegen sich die Grundschuljahrgänge dabei auf unterschiedlichen Gebieten und können auch nach Schule variieren.
Schaut man sich die Informationsbroschüre des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur des Landes Mecklenburg-Vorpommern an, dann sieht man, dass für die erste und zweite Jahrgangstufe Themen des gemeinsamen Lernens und Gestaltens der Freizeit, aber auch der Verantwortlichkeit der Natur gegenüber gewählt wurden.
In der dritten und vierten Klasse geht es dann um Konfliktbewältigung und Auseinandersetzung mit anderen, aber auch um verschiedene Medien, wie das Fernsehen oder den Computer bzw. Alles was damit zusammenhängt.
Gerade an den Themen kann man noch einmal gut sehen, wie oben schon erwähnt, dass es um ganz alltägliche Dinge geht und die Kinder die Welt um sie herum verstehen können.
Dennoch kann es für die Schülerinnen und Schüler gerade am Anfang sehr befremdlich sein, dass ein Gespräch so offen geführt wird. Der Alltag in der Schule sieht dahingehend oft anders aus und die Maßstäbe des schulischen Unterrichts sind meist andere, als die des Philosophieunterrichts. Seinen eigenen Standpunkt zu vertreten und sich über ein Thema eigene, nicht “vorgegebene” Gedanken zu machen, ist somit eine völlig andere Herangehensweise.
Deswegen ist es immer wieder erforderlich, die Kinder mit Fragen zum Gespräch zu animieren, bis sie gelernt haben mit dieser Art des Gesprächs umzugehen.
Hilfreich sind dabei auch die von den Kindern gestellten Fragen in der Informationsbroschüre des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Diese können als Grundfragen für den jeweiligen Jahrgang dienen und darauf weitere Fragen aufgebaut werden.
Jedoch helfen auch schon kleine Rückfragen an die einzelnen Kinder, wie “Was denkst du darüber?” oder “Was stellst du dir darunter vor?”. Somit hat das Gespräch die Möglichkeit sich zu entwickeln und andere Schülerinnen und Schüler mit einzusteigen, wodurch neue Fragen und Ideen entstehen können.
Besonders hierbei ist, dass die Lehrenden sich mit ihrer Wertung oder der Deutung eines Sinns zurückhalten sollen. Hier stehen das Denken und die Lösungsansätze der Kinder im Vordergrund.
Aber genau so können die Eltern zu Hause mit ihrem Kind philosophieren. Das gemeinsame Hinterfragen und Erforschen mit den Kindern, eröffnet nicht nur diesen eine weitere Welt und ein besseres Verständnis, sondern auch den Eltern selbst.
Ein gemeinsames Gedankenmachen, fördert die Wissbegierde und Kreativität – nicht zuletzt verbindet es Kinder und Eltern stärker, weil gemeinsam etwas unternommen wird, sei es auch nur geistig.
Das Fach Philosophie bzw. Philosophieren mit Kindern sollte dabei nicht unterschätzt werden, besonders weil in den jungen Jahren diese Erfahrungen und Art des Denkens prägend ist.
Äußerst interessant ist zu diesem Thema, dass es im Philosophie Magazin einen Artikel gab, der Kindern ganz klar attestierte, dass sie Philosophen sind. Genaueres hier nachzulesen.
Aber das eigentlich interessante daran war, die Kommentare unter dem Beitrag, die man bei Facebook lesen konnte. Dort kamen viele Stimmen auf, dass Kinder keine Philosophen seien. Sie würden zwar Fragen stellen, aber sie könnten die Tiefe der Philosophie gar nicht begreifen und somit dürfe man sie auch nicht Philosophen nennen. Sonst müsste man ja auch gar nicht erst Philosophie studieren, wenn einfach jeder so Philosoph sein könne…
Diese Art des Denkens behagt mir ehrlich gesagt überhaupt nicht, denn zum einen kategorisiert er und zum anderen wird die eigene Fähigkeit höher dargestellt, als die einer anderen Person. Das Ego rückt an die Stelle der Philosophie und spricht einer anderen Person das Philosoph-Sein ab.
Dieses Denken gibt es teilweise auch unter Philosophen, wonach der andere ja eigentlich gar kein richtiger Philosoph wäre…
Kinder stellen Fragen, das ist richtig.
Auch richtig ist, dass sie vielleicht nicht bei allen Fragen bzw. Antworten die Tiefe begreifen können – aber können wir das als Erwachsene?
Ab welchem Alter können wir das?
Oder hängt dabei die Erfahrung damit zusammen?
Wir tun gerne (hochnäsig) so, als würden wir die Welt von vorne bis hinten verstehen, was aber eben nicht der Fall ist. Ich möchte sogar so weit gehen und behaupten, dass viele derer, die sich negativ über Kinder als Philosophen äußerten, zwar vielleicht diverse Philosophen und deren Ideen kennen mögen, aber selbst kaum wirklich philosophieren, sondern nur das wiedergeben, was sie gelesen und sich gemerkt haben.
Philosophieren mit Kindern ist eine elementare Tätigkeit, bei der man selbst als Erwachsener, wieder zur Grundidee der Philosophie kommt: Dem Streben und der Liebe nach Weisheit.
Hier findet ihr den Rahmenplan für die Grundschule für das Philosophieren mit Kinder des Ministeriums für Bildung, Wisenschaft und Kultur des Landes Mecklenburg-Vorpommern.
Derzeit gibt es die Möglichkeit, sich Deckblätter für die Schule oder für seine private Philosophiemappe herunterzuladen.
Demnächst werden hier bzw. in einem Bereich für Eltern und Lehrer weitere kostenlose Unterlagen und Hilfen zur Verfügung stehen.
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