Die neue Abenteuer Philosophie (Okt. – Dez. 2023) ist vor kurzem erschienen und mitunter das Editorial vom Chefredakteur Hannes Weinelt hat mich wieder etwas nachdenken lassen.
Eigentlich verfolgt mich dieses Thema schon seit meiner Schulzeit, wie viele andere Menschen sicherlich auch. Dennoch ist es sicherlich gut, einen genaueren Blick darauf zu werfen: Unser marodes Bildungssystem.
Inhalt
- Marodes Bildungssystem schon lange vorhanden?
- Universitäten ebenso betroffen
- Quantität statt Qualität
- Ignoranz der Politik
- Was am Ende bleibt
Marodes Bildungssystem schon lange vorhanden?
Plötzlich sind gerade die Politik und Gesellschaft völlig schockiert, dass an allen Ecken und Enden Lehrer fehlen, ständig Unterricht ausfällt und die Leistungen der Schülerinnen und Schüler immer weiter abfällt.
Daran war nicht nur die Zeit um Corona Schuld, sondern hat eine lange Tradition, die die Politik Deutschlands über Jahre verfolgte.
Schon als ich damals vor über 20 Jahren in die Schule ging, sahen wir als Schüler, wie marode das Bildungssystem zu der damaligen Zeit war. Zwar noch nicht mit den heutigen Verhältnissen zu vergleichen, dennoch hatten wir zum Teil inkompetente Lehrer, veraltete Bücher und bei uns ist regelmäßig der Unterricht ausgefallen.
Natürlich können Lehrer auch krank oder ernsthaft krank werden, gar keine Frage, aber schon damals konnten diese Fehlzeiten nicht durch andere Lehrer ausgeglichen werden.
Als Schüler fanden wir das damals großartig, schließlich hatten wir dadurch mehr Freizeit und man dachte nicht daran, dass sich das eigentlich negativ auf die eigene Bildung auswirken könnte.
Aber ich prophezeite schon zu der damaligen Zeit, dass wenn die Bildung weiterhin finanziell so zurück gekürzt wird, dann wird es in Zukunft sehr große Probleme geben. Aber was wusste schon ein einzelner, kleiner Schüler darüber?
Trotzdem wurde es über Jahre weiterhin so gehandhabt. Bildung war nicht wichtig, wurde zusammengelegt und immer weiter reduziert.
Als ich an der Universität studierte, konnte ich wieder ähnliches miterleben. Geisteswissenschaftliche Fachbereiche wurden zusammengelegt und somit das Budget verringert.
Universitäten ebenso betroffen
Auch die damalige Umstellung auf Masterstudiengänge konnte ich verfolgen und hatte da noch viel Glück mit meiner Magisterstudiengang, weil er völlig anders aufgebaut war. Hinzu kam, dass gerade am Anfang der Masterstudiengang undurchsichtig war, was die zu erreichenden Punkte anging.
Doch nicht nur dieses anfängliche Durcheinander war ein Problem, sondern es stellte sich plötzlich auch eine Zeitfrage. Geisteswissenschaften benötigen Zeit, da für sie ein tieferes Verständnis entwickelt werden muss. Nun wurde das aber umgestellt und Zeit wurde ein wesentlicher Faktor.
Wie soll man jedoch unter Zeitdruck bspw. Philosophie erlernen?
Selbstverständlich kann man Dinge auswendig lernen, ähnlich wie in der Schule und wenn das Wissen nicht mehr benötigt wird, dann fällt es einfach hinten über.
Wie oft hat man für Klausuren gelernt und schon ein paar Wochen später nicht mehr gewusst, was das eigentliche Thema war?
Ähnliches hat man hierbei auch in der Universität geschaffen. Unter einem Vollzeit-Stundenplan werden die Themen abgearbeitet und später zu Hause noch die Hausarbeiten oder Referate bearbeitet.
Quantität statt Qualität
Wie ich in meinem letzten Artikel schon darauf hinwies: Philosophie benötigt Zeit und Muße. Die wurde aber nun aus dem Studiengang entfernt und es wird einzig und allein auf die Effizienz geschaut – hier im Sinne, in kurzer Zeit viele Themen abarbeiten.
In einem Artikel der Süddeutschen Zeitung, aus dem Jahre 2017, verweist der Professor für Philosophie Markus Gabriel darauf, dass es auch ähnlich mit den Doktoranden gemacht wurde. Viel zu viele promovieren über Themen, zu dem man gar nicht so viele Doktoranden benötigen würde.
Man produziere nach ihm „Menschenmaterial“, damit diese dann im Ausland die deutsche Philosophie repräsentieren könnten.
Das ist eben auch so ein maroder Teil des Bildungssystems: Anstatt, dass man Qualität liefert, wird nur Quantität geliefert.
Für jemanden wie mich, der im Berufsleben steht, ist es hingegen schwerer zu promovieren. Nicht nur weil sich die Frage der Zeit stellt, sondern auch, weil der Fokus eben mehr auf das „Menschenmaterial“ gelegt wird und somit diejenigen bevorzugt werden, die einen akademischen Werdegang anstreben.
Dennoch wundert es nach all den Jahren nicht, dass das Bildungssystem kurz vor dem Kollaps steht. Nach meiner Studienzeit (ich habe nicht auf Lehramt studiert), hatte ich mich auch auf Stellen als Lehrer beworben.
Selbstverständlich wurde ich überall abgewiesen, weil ich keinen pädagogischen Hintergrund hatte und Quereinsteiger nur bedingt genommen wurden, obgleich ich das Fachwissen mitbrachte. Gerade Philosophen und Religionswissenschaftler sind meiner Meinung nach bestens für den Religions- und Ethikunterricht geeignet.
Dennoch wurde der Bedarf damals noch nicht so wahrgenommen, obgleich es damals schon zu erweitertem Unterrichtsausfall kam.
Die Schülerinnen und Schüler haben damals schon erkannt, wie sehr das Bildungssystem erkrankt war, haben darauf hingewiesen, aber es wurde ignoriert.
Ignoranz der Politik
Die Politik hat es ignoriert, obwohl sie es hätte besser wissen müssen.
Die Politik hat über Jahre versagt, obwohl es allen klar war.
Die Berater der Politiker haben versagt, weil sie es hätten besser wissen müssen.
Aber wie so oft, liegen die Prioritäten eben im Finanziellen und nicht im Allgemeinwohl.
Nun wundert sich Politik und Gesellschaft nach all den Jahren, dass das Kind endgültig in den Brunnen gefallen ist, dabei hat man ihm dabei zugesehen, wie es sich über die ganze Zeit an der Brunnenmauer festgekrallt hat, um nicht in den Brunnen zu fallen.
Es hat durchgehend um Hilfe gebeten, doch die Politik hat es einfach ignoriert.
Diese Spätfolgen des Versagens müssen nun wieder ausgeglichen werden. Aber natürlich soll es nichts kosten und schnell gehen. Es soll nicht lange belasten, weil man sich nicht länger als nötig mit diesem notwendigen Übel beschäftigen will.
Was die Politik bis heute nicht verstanden hat, ist, dass Bildung ein absolutes Fundament für jedes demokratische System darstellt.
Will ich Fachkräfte, dann muss ich diese ausbilden und richtig darauf vorbereiten. Das fängt eben schon in der Schule an.
Ich kann nicht erwarten, dass jemand der ins Berufsleben tritt, erst zu diesem Zeitpunkt anfängt die Grundlagen für diesen spezifischen Beruf zu lernen – ich meine hier Dinge wie einfachste Mathematik, Sprachkenntnisse oder eine Affinität für den jeweiligen Beruf.
Was am Ende bleibt
An diesem Riesenproblem lässt mich eigentlich nichts wundern, außer eben die jahrelange Tatenlosigkeit der Politik.
Wie ein schöner Spruch sagt: „I’m disappointed but not surprised. “
Ich bin wirklich mal gespannt, wie bei dieser Thematik die Politik noch die Kurve kriegen will.
Der Informatikunterricht ist seit diesem Jahr auch Pflichtfach, man hat nur eben nicht genügend Lehrer dafür. Dementsprechend leitet nun fachfremde Lehrer zum Teil diesen Unterricht, so er denn nicht ausfällt.
Das sieht mir jetzt schon nach einem desaströsen Flickenteppich aus über den man später stolpern wird und einem System des Unterrichts, das nie wirklich überarbeitet werden sollte …
Aber lassen wir uns mal überraschen, was für grandiose Ideen da noch so kommen werden, vielleicht wendet sich ja plötzlich auch alles zum Guten.