Mir ist aufgefallen, dass ich zwar meine Artikel über Transhumanismus und Bodyhacking veröffentlicht habe, jedoch vergaß, diesen Artikel, mit dem eigentlich alles begann, zu veröffentlichen.
Nun denn werde ich dies nachholen.
Inhaltsverzeichnis
- Was ist Bodyhacking?
- Aufgaben der Philosophie im Bodyhacking
- Sport und Bodyhacking
- Historisches
- Rosarote Brille oder ernste Gefahr?
- Fragen die sich stellen
Was ist Bodyhacking?
In den letzten Wochen habe ich einiges zum Thema „Bodyhacking“ gesehen und gelesen. So grüblerisch, wie ich bin, habe ich mir einige Gedanken dazu gemacht. Aber schauen wir uns doch erst einmal an, was Bodyhacking überhaupt ist.
Bei Bodyhacking geht es um Menschen, die mittels technischer Gerätschaften ihren Körper verändern und verbessern möchten. Bekannt ist dieses Prinzip aus Fantasy- und Sci-Fi Filmen z.B. als Cyborg oder zu Deutsch kybernetischer Organismus. Also ein Mensch mit dauerhaften technischen Teilen am oder im Körper.
Als Vorreiter könnte man bspw. Prothesen für Arme und Beine sehen. Diese haben eigentlich die Eigenschaft, dass sie dem Tragenden ein Ersatz für das fehlende Körperglied sind. Sie sollen also einen potenziellen Nachteil ausgleichen, damit ein normales Leben möglich ist.
Beim Bodyhacking geht es nun aber darum, das Bestehende zu verbessern, nicht unbedingt deswegen, weil es als unvollkommen angesehen wird, sondern weil wir mit unserer heutigen Technologie auch einfach die Möglichkeit haben und bei dem Thema gerade erst am Anfang stehen.
Normalerweise würden wir eher nicht sagen, dass wir uns einem Eingriff unterziehen, da dieser natürlich Risiken beinhalten kann. Das würden wir wahrscheinlich auch zu einem Schönheitschirurgen sagen, der uns zu einem vielleicht eher unnötigen Eingriff rät. Wir würden es als unnötig und mit Risiken behaftet ansehen.
Da das Bodyhacking erst am Anfang steht, kann natürlich auch wenig über die Risiken gesagt werden, da diese ja nicht unbedingt nur mit dem Eingriff als solchen in Zusammenhang stehen. Langzeitfolgen sind ungewiss.
Der bekannteste Eingriff ist die Implantierung eines RFID-Chips oder eines kleinen Magneten im Bereich der Fingerspitzen. Beim RFID-Chip gibt es die Möglichkeit Daten zu übertragen oder zum Beispiel mit dem Handy auszulesen. Ein Magnet in den Fingerspitzen hingegen lässt einen elektromagnetische Felder spüren, wie von Kaffeemaschinen, Mikrowellen usw. Es wird auch gerne als sechster Sinn bezeichnet.
Wer noch etwas mehr über das Thema lesen möchte, kann das unter folgendem Link tun: http://www.zeit.de/digital/internet/2012-08/cyborg-neil-harbisson-biohacking-campus-party
Aufgaben der Philosophie im Bodyhacking
Doch was hat das jetzt nun mit Philosophie zu tun?
Die Philosophie hat auch die Aufgabe, sich mit Gedankenkonstrukten zu beschäftigen, die sich zwar recht fantastisch anhören, jedoch nicht allzu realitätsfern sind. Dies ist beim Bodyhacking der Fall. Dabei geht es nicht nur um ein pro und contra der Möglichkeiten oder die Frage „brauchen wir das?“, sondern es geht auch um ethische Fragen die sich um dieses Thema drehen.
Kleine Magneten sind derzeit noch eher eine Spielerei, aber wie sieht es denn damit aus, wenn jemand plötzlich besser sehen kann als alle andere?
Vor Kurzem wurden Kontaktlinsen hergestellt, mit denen man an ein Objekt heranzoomen kann, da es mit einem Mini-Teleskop ausgestattet ist. Google geht noch weiter und arbeitet derzeit an einer Kontaktlinse die Blutzuckerwerte misst und bei zu großen Schwankungen warnt. Die Möglichkeiten sind fast unendlich und dabei geht es nur um eine Kontaktlinse.
Gleichwohl stellt sich hier die Frage, ob eine Kontaktlinse schon in den Bereich des Bodyhacking gehört. Denn im Endeffekt verhält es sich mit Kontaktlinsen ähnlich wie mit einer Smartwatch – sie sind beiden nicht direkt mit dem Körper verbunden, verbessern aber die Leistung. Zwar könnte man bei einer Kontaktlinse davon ausgehen, dass ein Defizit vorliegt, ist aber eben wie bei einer Smartwatch nicht zwingend erforderlich.
Sport und Bodyhacking
Besser zu sehen ist ja erst einmal nichts Großartiges. Dem Profi-Golfer Tiger Woods wird bspw. im Film „Bigger, Stronger, Faster“ unterstellt, dass er sich seine Augen hat Lasern lassen, damit er besser sehen könne – er sozusagen gedopt wäre.
Andere Quellen berichten davon, dass er das getan hat aufgrund seiner Pollenallergie und das gleichzeitige Tragen von Kontaktlinsen. Was davon jetzt stimmt vermag ich nicht zu sagen, da ich nicht Tiger Woods bin.
Jedoch ein Punkt, der in dem Film behauptet wird, ist, dass er durch diese Operation eine 130%ige Sehschärfe hätte. Genau an dem Punkt würden die Fragen bezüglich der Kybernetik anfangen.
Im Sport geht es (auch) um Fairness und damit würde ein Ungleichgewicht geschaffen, doch nicht nur das, durch das Ungleichgewicht würde ein Unterschied gemacht werden, zwischen kybernetischen und einfachen Menschen.
Potenziell könnte sich das auf die ganze Gesellschaft auswirken – oder eben auch nicht.
Wäre der tägliche Berufsalltag davon betroffen oder die Partnersuche?
Würden Personen aufgrund kybernetischer Eigenschaften oder gerade, weil sie diese nicht haben, ausgegrenzt?
Man sieht, so einfach und spielerisch sich dieses ganze Thema eigentlich aufbaut, umso komplexer wird es, wenn man sich die ganzen Fragen dazu stellt.
Ich möchte jetzt nicht alle positiven und negativen Eigenschaften aufzählen, da das zum einen subjektiv wäre, aber auch nicht sonderlich zielführend ist.
Es geht mir mehr darum zu vermitteln, dass es in den nächsten Jahren und Jahrzehnten sicherlich Veränderungen diesbezüglich geben wird, wir das aber so eigentlich noch gar nicht wirklich wahrnehmen.
Historisches
Um noch etwas weiter in das Thema einzusteigen, sollten wir uns vor Augen führen, wo historisch gesehen mit dem Thema Bodyhacking eigentlich begonnen wurde.
Eigentlich war seit jeher das Verändern des Körpers Thema der Menschen. Egal ob Schmuck oder körperliche Veränderungen – so lange wie es den Menschen gibt, so lange besteht dieses Thema um ihn und ist nicht erst eine Erscheinung der Moderne.
So richtig groß aufgegriffen wurde es im Thema des Steampunks (oder Retro-Futurismus, hier wird sich auf die damaligen Ideen bezogen, wie die Zukunft aussehen könnte).
Dort war man der Meinung, dass futuristische Prothesen dann roboterähnlich funktionieren könnten, allerdings gerne auch mit Dampf betrieben. Im Steampunkthema gab es dann nicht einfach nur Prothesen, die einem im Alltag wieder halt gaben und das vorhandene Defizit ausgleichen, sondern gleichzeitig auch verbessert waren und weitere Funktionen mit sich brachten. Großartige Nachteile diesbezüglich kommen als Thema eher selten auf, was dem romantischen Hintergrund (Zukunft, Abenteuer, Wissenschaft, Bildung, etc.) verschuldet sein mag.
Auch Fernsehserien oder Filme haben sich des Themas immer wieder angenommen. Dabei kamen dann immer wieder sowohl positive als auch negative Bereiche zum Vorschein. Sei es der positive Effekt durch sein Bodyhacking im Vorteil zu sein, weil man bspw. etwas sehen kann, was ein anderer nicht sieht oder dadurch auch einfach Fähigkeiten hat, die ein normaler Mensch nicht besitzt.
Nachteile durch Fehlfunktionen, Missbrauch von Schnittstellen der Prothese oder auch einen Konzern, der seine Ziele mit aller Macht ausüben will und der Mensch nur noch als manipulatives Beiwerk gilt.
Rosarote Brille oder ernste Gefahr?
Es handelt sich beim Bodyhacking, auch wenn man dazu einen kleinen Ausflug in die Sciencefiction machen muss, um einen schmalen Grat zwischen einem romantisierten hin zu einem kapitalistisch, fast soziopathischen, Thema.
Der romantische Aspekt lässt uns dabei recht schnell blauäugig alles hinnehmen und weniger skeptisch betrachten und genau das könnte ein ganz großer Fehler sein.
Man muss sich immer wieder mehrere Punkte, die nicht unbedingt parallel verlaufen, anschauen.
Ich versuche mal ein fiktives Beispiel zu nehmen:
Nehmen wir an, wir könnten uns eine kleine Platine unter die Haut pflanzen lassen, die uns mittels Smartphone darüber informiert wie unsere Werte des Blutzuckers, der Leber, des Herzrhythmus usw. sind.
Hört sich doch schon mal nicht schlecht an; jeder Arzt wäre dadurch entlastet und ein System könnte uns selbst Aufschluss geben, wie es um unser Gesundheit steht. Gleichzeitig würden die Schlafgewohnheiten überwacht, damit man den optimalen Schlafzyklus erreicht.
Wissen wir eigentlich oftmals wirklich wie unser Handy funktioniert?
Viele Smartphonebenutzer haben nicht einmal eine Firewall, da sie sich darüber keine Gedanken machen.
Ob sich das ändern würde, wenn man seine ganz persönlichen Daten auf dem Handy hätte?
Haben wir das nicht schon? Und trotzdem kümmern wir uns kaum darum.
Selbst in NSA-Zeiten wo der Schnüffelei Tür und Tor geöffnet ist und die eigene Regierung immer wieder versucht eine Massenvorratsdatenspeicherung anzulegen.
Das heißt, dass mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit dann auch die eigentlich persönlichen Daten des eigenen Körpers irgendwo gespeichert und verwertet werden.
Das wird Versicherungen und Krankenkassen freuen, denn diese wissen dann immer ganz genau Bescheid was mit Ihnen so los ist.
Erwähnte ich schon, dass es dieses Implantat nur mit GPS-Funktion gibt?
Ohne bekommt man es leider nicht und dient natürlich nur der Sicherheit des Trägers. Aber keine Angst, die Daten werden streng vertraulich behandelt. Irritierend wird es spätestens dann, wenn man irgendwo langgeht und ständig Werbung geschaltet wird für das eine oder andere Produkt z.B. Kopfschmerzmittel, weil die Sensoren der Platine ausmachen, dass man aus irgendeinem Grund Kopfschmerzen haben könnte.
Diese fiktive Idee könnte man unendlich weiterspinnen und alles, was dabei rauskommt, ist gar nicht mal so fern der Realität, da bestimmte Geräte schon heute diese Eigenschaften aufweisen und wir immer mehr mit unseren Geräten verschmelzen.
In London wurde vor einiger Zeit bspw. Werbung an Mülleimern geschaltet, und zwar passend zu den Cookies und Anbietern, die auf den Smartphones der Vorbeigehenden verfügbar waren.
Fragen die sich stellen
Ich möchte mich hier sicher nicht gegen das Thema Bodyhacking aussprechen, da ich der Meinung bin, dass es uns großartige Möglichkeiten schaffen kann, die uns so vielleicht verwehrt gewesen sind oder wären.
Jedoch sollte man allem immer skeptisch gegenüberstehen und hinterfragen, was muss ich von mir als Mensch hergeben, damit ich etwas bekomme und welches Interesse hat derjenige, der mir etwas anbietet?
Gleichzeitig sollte man fragen, was es aus unserer Gesellschaft als Menschen macht.
Trennt es uns voneinander oder bringt es uns zusammen?
Hat jemand, weil er mehr Geld hat, auch mehr Fähigkeiten oder steht allen das Gleiche zur Verfügung?
Jemand der keinen kybernetischen Körper hat: Steht der gesellschaftlich auf einer Ebene mit den kybernetisch Veränderten?
Gibt es dadurch Abgrenzungen und Aufspaltungen?
Dieses Thema beinhaltet sehr viele ethische und moralische Fragen, die man mit der Zeit klären und aufarbeiten muss.
Das Gedankenspiel: „Was wäre wenn“, lässt uns nicht nur kreativ werden, sondern wir beschäftigen uns mit potenziell ethischen Fragen, die wiederum auf unsere heutige Gesellschaft übertragen werden kann und wir uns möglicherweise sogar besser selbst verstehen.
Also frage ich: Wie viel Kybernetik würden Sie (bei sich) zulassen?
Wo wären Ihre Grenzen?
Was wäre Ihre Ethik?
Quellen:
http://www.zeit.de/digital/internet/2012-08/cyborg-neil-harbisson-biohacking-campus-party
http://de.wikipedia.org/wiki/Cyborg
http://www.welt.de/gesundheit/article10888953/Die-Kontaktlinse-wird-jetzt-ganz-neu-erfunden.html
http://www.heise.de/newsticker/meldung/Forschung-Kontaktlinse-zoomt-per-Augenzwinkern-2550669.htmlhttp://www.zeit.de/digital/datenschutz/2013-08/muelleimer-daten-london